Samstag, 10. Dezember 2011

10. Dezember

Moschee am Wegesrand, Strecke Natitingou-Boukombé

Gelebtes Miteinander der Religionen nenne ich, wenn bei Gesprächen in der Buvette ganz selbstverständlich ist, dass Muslime und Christen der verschiedenen Religionen an denselben Gott glauben. Wenn zu Hochzeiten oder Beerdigungen gegenseitiger Besuch erwünscht ist, wenn Feste gemeinsam gefeiert werden, sei es Tabaski oder Weihnachten.
Dass nach einer katholischen Trauerfeier noch Zauberer das Totenfest beenden, ist aus einem europäischen Kontext erstmal unverständlich und furchtbar fremd. Aber nicht nur, dass man neben der aus Europa gebrachten Bibel die lokalen Traditionen aufrecht erhält, hier können sich die versteiften Positionen der Kirchen- und Religionsstreitigkeiten ein Vorbild an der Gelassenheit nehmen. Was hat die Abendmahlsverweigerung mit Nächstenliebe zu tun, was der Konflikt im Nahen Osten mit der Tora?
Traurig werde ich, wenn hier in der evangelikalen Kirche von der Bestrafung Gottes für das muslimische Nordafrika gepredigt wird, oder wenn Traditionen verlacht werden. Wütend werde ich, wenn ich merke, dass Hassbotschaften aus einem Buch entnommen werden, welches Anleitung zu einem besseren Leben geben soll.
Nachdenklich macht es mich, wenn ich gefragt werde, ob es stimme, dass Europa den Glauben verloren habe. Ob es wirklich wahr sei, dass Kirchen geschlossen werden, während wir hier die Einweihung der neuen Kathedrale mitfeiern dürfen. Ist in unserer technisierten, europäischen Welt kein Platz mehr für Glauben? Ist Atheismus die einzige Möglichkeit für eine modernisierte Welt?
Für mich ist die Erfahrung unglaublich bereichernd die Offenheit unter den Religionen zu erleben. Es ist uns eine Ehre in die verschiedensten Kirchen eingeladen zu werden und dort willkommen zu sein. Und wenn man sich im Raum umsieht und allein anhand der Kleidung merkt, dass der Gottesdienstbesuch nicht nur für mich wichtig ist, fühle ich mich gut. Religion und Kirche sind auch hier schwierige Themen, trotzdem ist es ungemein bereichernd einen ganz anderen Umgang mit Glauben erleben zu dürfen.

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